Berufung ans Obergericht im Zivilverfahren
Die Berufung ist das primäre Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Entscheide im Zivilrecht. Sie erlaubt eine umfassende Überprüfung des angefochtenen Entscheids in Bezug auf den Sachverhalt sowie auf die Rechtsanwendung.
Mit Berufung anfechtbare Entscheide
Die Berufung ist zulässig gegen alle End- und Zwischenentscheide des Kantonsgerichts, ebenso wie gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen. Dazu gehören jedenfalls alle Entscheide, die das Verfahren vor dem Kantonsgericht abschliessen.
Geht es um vermögensrechtliche Streitigkeiten, ist die Berufung nur zulässig, wenn der Streitwert der zuletzt aufrechterhaltenen Rechtsbegehren mindestens 10'000 Franken beträgt.
Unzulässig ist die Berufung zudem gegen Entscheide des Vollstreckungsgerichts und gegen Entscheide in verschiedenen Angelegenheiten des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, die in
Art. 309 Zivilprozessordnung (ZPO) näher umschrieben sind.
Die Berufung gegen Entscheide des Kantonsgerichts Zug ist an das Obergericht des Kantons Zug zu adressieren.
Anforderungen an die Berufungsschrift
-
Frist
Die Berufung ist zwingend innert 30 Tagen ab Zustellung des begründeten erstinstanzlichen Entscheides schriftlich einzureichen.
Handelt es sich um einen Entscheid, der im summarischen Verfahren ergangen ist (dazu gehören insbesondere Eheschutzverfahren, selbständige Verfahren um Erlass vorsorglicher Massnahmen sowie Verfahren zur Auflösung einer Gesellschaft wegen Organisationsmän-geln), beträgt die Frist zur Einreichung einer Berufung 10 Tage. -
Rechtsbegehren
Obwohl dies aus dem Wortlaut von Art. 311 ZPO nicht explizit hervorgeht, muss die Berufungsschrift auch Rechtsmittelanträge enthalten. Aus der Rechtsmittelschrift muss hervorgehen, dass und weshalb der Rechtsuchende einen Entscheid anficht und inwieweit dieser geändert oder aufgehoben werden soll. Dabei ist grundsätzlich ein Antrag in der Sache zu stellen. Das Rechtsbegehren muss so bestimmt sein, dass es im Falle der Gutheissung unverändert zum Urteil erhoben werden kann. Das bedeutet insbesondere, dass die auf eine Geldzahlung gerichteten Berufungsanträge zu beziffern sind.
-
Begründung
Das Berufungsverfahren ist als eigenständiges Verfahren ausgestaltet. Es dient nicht der Vervollständigung des vorinstanzlichen Verfahrens, sondern der Überprüfung und Korrektur des erstinstanzlichen Entscheids im Lichte konkret dagegen vorgebrachter Beanstandungen. Entsprechend ist die Berufung nach Art. 311 Abs. 1 ZPO begründet einzureichen.
Dabei muss die Berufungsklägerin oder der Berufungskläger aufzeigen, inwiefern und weshalb sie oder er den angefochtenen Entscheid in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht als fehlerhaft erachtet bzw. weshalb (zulässige) neue Tatsachen oder neue Beweismittel einen anderen Schluss aufdrängen. Dabei ist erforderlich, dass im Einzelnen dargelegt wird, welche Erwägungen des Kantonsgerichts beanstandet werden und die Berufungsklägerin oder der Berufungskläger muss sich mit dem Entscheid argumentativ auseinandersetzen. Ungenügend sind blosse Verweise auf die eigenen Vorbringen vor Kantonsgericht sowie pauschale Kritik am angefochtenen Entscheid.
Ist eine Berufungsschrift unzureichend begründet, tritt das Obergericht auf die Berufung nicht ein, d.h. es setzt sich inhaltlich gar nicht erst mit dem Entscheid des Kantonsgerichts auseinander. -
Beschwer
Gegen einen Entscheid Berufung erheben kann nur, wer durch den Entscheid benachteiligt ist. Massgebend ist dabei der eigentliche Entscheid, also das Dispositiv. Allfällige Fehler in der Begründung berechtigen hingegen für sich allein nicht zur Ergreifung eines Rechtsmittels, solange sie sich nicht auch in einem für die Partei ungünstigen Ergebnis niedergeschlagen haben.
Wirkungen der Berufung
Die Berufung hat von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass der Entscheid des Kantonsgerichts nicht wirksam wird, sofern und soweit er rechtzeitig mit Berufung ans Obergericht angefochten worden ist.
Keine aufschiebende Wirkung hat die Berufung indessen gegen vorsorgliche Massnahmen und das Gegendarstellungsrecht.
Auf Antrag einer Partei kann das Obergericht in begründeten Einzelfällen von dieser gesetzlichen Regelung abweichen und entweder die vorzeitige Vollstreckbarkeit anordnen oder aber die Vollstreckung vorsorglicher Massnahmen ausnahmsweise aufschieben, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht.
Verfahrensablauf
Nach Eingang der Berufungsschrift werden Sie in der Regel als Erstes aufgefordert, einen Kostenvorschuss in der Höhe der mutmasslichen Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Erst wenn der Kostenvorschuss bezahlt worden ist, leitet das Obergericht Ihre Berufung an die Gegenpartei weiter und fordert diese auf, eine Berufungsantwort einzureichen. Für die Berufungsantwort gilt dieselbe Frist wie für die Berufung.
Nach Eingang der Berufungsantwort kann der Präsident der zuständigen Abteilung des Obergerichts einen weiteren Schriftenwechsel oder eine Berufungsverhandlung anordnen. Das Obergericht kann auch noch weitere Beweise abnehmen. Im Regelfall findet jedoch nur ein einfacher Schriftenwechsel statt, d.h. jede Partei äussert sich ein einziges Mal schriftlich zum Fall.
Daraufhin fällt das Obergericht seinen Entscheid.
Anschlussberufung
Gleichzeitig mit der Berufungsantwort kann die berufungsbeklagte Partei Anschlussberufung erheben, d.h. ihrerseits ebenfalls Anträge stellen, wie der Entscheid des Kantonsgerichts abzuändern ist.
Das Verfahren rund um die Anschlussberufung ist nicht eigenständig, sondern vom ursprünglichen Berufungsverfahren abhängig. So fällt die Anschlussberufung dahin, wenn das Obergericht auf die Berufung nicht eintritt, wenn die Berufung als offensichtlich unbegründet abgewiesen wird oder wenn die Berufung vor Beginn der Urteilsberatung zurückgezogen wird.
In der Regel wird eine Partei, die Anschlussberufung erhebt, ebenfalls aufgefordert, einen Kostenvorschuss zu leisten.
Ausgeschlossen ist die Anschlussberufung, wenn sich die Berufung gegen einen Entscheid richtet, der im summarischen Verfahren ergangen ist (z.B. Eheschutzverfahren).
Wiederherstellung der Berufungsfrist
In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass jemand die Berufungsfrist verpasst, weil er oder sie an der rechtzeitigen Einreichung der Berufung gehindert wurde. In solchen Fällen kann die Berufungsfrist unter Umständen wiederhergestellt werden.
Haben Sie eine Berufungsfrist verpasst und wollen Sie diese wiederherstellen lassen, müssen Sie ein entsprechendes Gesuch ans Obergericht stellen. Dies muss spätestens 10 Tage nach Wegfall des Grundes, der Sie an der Einreichung einer Berufung gehindert hat, geschehen. Nicht mehr möglich ist eine Wiederherstellung der Berufungsfrist, wenn der Entscheid, den Sie anfechten wollen, bereits seit mindestens 6 Monaten rechtskräftig ist.
Im Gesuch müssen Sie möglichst detailliert darlegen, weshalb Ihnen das Einreichen einer Berufung nicht innert Frist möglich war. Dazu reichen Sie die verfügbaren Beweismittel ein, die Ihre Darstellung belegen. Weiter müssen Sie aufzeigen, dass Sie die erwähnte Frist von 10 Tagen eingehalten haben, und dies auch beweisen. Das bedeutet, dass Sie genaue Angaben dazu machen müssen, wann der Grund, der Sie am Einreichen einer Berufung gehindert hat, weggefallen ist (Datum).
Das Obergericht kann die Frist zur Einreichung einer Berufung nur dann wiederherstellen, wenn Ihnen Wahrung der Frist unmöglich war. Unmöglichkeit kann dabei sowohl durch objektive als auch subjektive (auch psychische) Hinderungsgründe ausgelöst werden. Es darf Sie überdies kein oder nur ein leichtes Verschulden treffen. Die Grenze zwischen grobem und leichtem Verschulden ist fliessend und lässt sich nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilen, wobei das Gericht über einen erheblichen Ermessensspielraum verfügt.
Kosten
Im Rechtsmittelverfahren werden die Kosten derjenigen Partei auferlegt, die unterliegt. Als unterliegend gilt auch die Partei, auf deren Rechtsmittel nicht eingetreten wird oder die das Rechtsmittel zurückzieht.
Die Höhe der Gerichtskosten wird nach den gleichen Ansätzen und Bemessungsgrundsätzen bestimmt, wie im Verfahren vor dem Kantonsgericht. Das heisst konkret:
- Für vermögensrechtliche Streitigkeiten im ordentlichen und vereinfachten Verfahren beträgt die Grundgebühr zwischen 100 Franken (für einen Fall mit einem Streitwert bis 1000 Franken) und 60’000 Franken (für einen Fall mit Streitwert von 5 Mio. Franken). Ist der Streitwert höher als 5 Mio. Franken, ist die Grundgebühr entsprechend höher. Bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten beträgt die Entscheidgebühr 150 bis 12’000 Franken. Im summarischen Verfahren wird die Gebühr in der Regel auf einen Drittel bis drei Viertel reduziert.
- Für Scheidungsverfahren und Verfahren betreffend Auflösung und Ungültigkeit der eingetragenen Partnerschaft beträgt die reguläre Entscheidgebühr 1600 bis 10’000 Franken.
Diese Grundgebühr kann in besonders umfangreichen oder schwierigen Fällen bis auf das Doppelte des jeweils anwendbaren ordentlichen Höchstansatzes, in Ausnahmefällen auch um mehr, erhöht werden.
Die Parteientschädigung beläuft sich im Grundatz auf ein bis zwei Drittel des Grundhonorars, das gemäss Verordnung über den Anwaltstarif (AnwT) für ein erstinstanzliches Verfahren berechnet werden könnte. Massgebend ist der Streitwert, der im Berufungsverfahren noch in Betracht kommt.
Das Grundhonorar für Rechtsanwälte beträgt nach diesem Tarif mindestens 200 Franken (für einen Fall mit Streitwert bis 5000 Franken) und höchstens 106’400 Franken zzgl. 0,5 % des 10 Mio. Franken übersteigenden Streitwerts (für einen Fall mit Streitwert über 10 Mio. Franken). Sind keine vermögensrechtlichen Interessen im Streit, so beträgt das Grundhonorar 1000 bis 15’000 Franken. Im summarischen Verfahren beträgt das Grundhonorar in der Regel ein Fünftel bis ein Zweitel dieses Grundhonorars oder ein Viertel bis drei Viertel in eherechtlichen Verfahren, bei Kinderbelangen in familienrechtlichen Angelegenheiten sowie bei eingetragener Partnerschaft.
Erhöhungen und Ermässigungen dieses Grundhonorars sind aus verschiedenen Gründen möglich.
Zur Grundgebühr hinzugerechnet werden die Mehrwertsteuer (sofern rechtzeitig beantragt [spätestens in der zweiten Stellungnahme] und sofern sie tatsächlich anfällt) sowie die Auslagen.
Haftungsausschluss
Die Inhalte dieser Website stellen ein unverbindliches Informationsangebot dar. Obwohl die Informationen regelmässig auf Richtigkeit und Aktualität hin geprüft werden, lehnen wir soweit gesetzlich zulässig jede Haftung für unerwünschte Folgen aus dem Gebrauch dieser Informationen ab.