Prozessieren vor dem Strafgericht
Entscheidet sich die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Untersuchung dazu, Anklage zu erheben, kommt es zum Gerichtsverfahren. Im Kanton Zug findet dieses in der Regel vor dem Strafgericht als erster Instanz statt.
Ablauf des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens in Strafsachen
Die Richterinnen und Richter des Strafgerichts entscheiden über die Anklage entweder allein als Einzelgericht oder zu dritt als Gremium. Dies ist davon abhängig, wie hoch die von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafe ist. Beantragt die Staatsanwaltschaft eine Busse, Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren, ist eine Einzelrichterin oder ein Einzelrichter des Strafgerichts für die Beurteilung zuständig (Einzelgericht). Geht der Sanktionsantrag darüber hinaus, entscheiden drei Richterinnen oder Richter gemeinsam über den Fall (Kollegialgericht).
Die Verfahrensleitung (d. h. der/die Einzelrichter/in oder das verfahrensleitende Mitglied des Kollegialgerichts) prüft zunächst, ob die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt sind, ob die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind und ob allenfalls Verfahrenshindernisse bestehen. Danach lädt sie zur Hauptverhandlung vor.
Nebst der Einzelrichterin oder dem Einzelrichter bzw. dem dreiköpfigen Richtergremium ist an der Hauptverhandlung seitens des Gerichts stets auch eine Gerichtsschreiberin oder ein Gerichtsschreiber beteiligt. Die Staatsanwaltschaft muss nicht in jedem Fall persönlich vor Gericht erscheinen. Sie kann ihre Anträge auch schriftlich stellen, ausser wenn sie die Bestrafung des Beschuldigten mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr beantragt. Die Hauptverhandlung ist in den meisten Fällen öffentlich, d. h. jede interessierte Person kann als Zuschauerin daran teilnehmen.
Zu Beginn der Hauptverhandlung werden zunächst allfällige formelle Fragen geklärt. Anschliessend befragt die vorsitzende Richterin oder der vorsitzende Richter die beschuldigte Person zu ihrer Person, zur Anklage und zu den Ergebnissen des Vorverfahrens. Danach werden allenfalls weitere Beweise abgenommen. Infrage kommt dabei insbesondere die Befragung von Zeugen oder Auskunftspersonen. Gibt es keine Beweise mehr abzunehmen, halten die Parteien ihre Plädoyers. Bevor die Verhandlung abgeschlossen wird, hat die beschuldigte Person das Recht auf das letzte Wort.
Nach einer geheimen Beratung fällt das Gericht sodann ein Urteil über die Schuld und (gegebenenfalls) Sanktionen, Kosten- und Entschädigungsfolgen sowie allfällige Zivilklagen und weitere Nebenfolgen. Dieses Urteil wird den Parteien entweder mündlich eröffnet oder in schriftlicher Form zugestellt. Ist eine Partei mit dem Urteil nicht einverstanden, kann sie bewirken, dass im Rechtsmittelverfahren zunächst die Strafabteilung des Obergerichts und alsdann auch das Bundesgericht eine erneute Beurteilung vornimmt.
Dieser Ablauf gilt für das ordentliche Verfahren. Besonderheiten im Verfahrensablauf gelten namentlich im Strafbefehlsverfahren, im abgekürzten Verfahren, im Jugendstrafverfahren, im Ordnungsbussenverfahren und im Verwaltungsstrafverfahren.
Verfahrensbeteiligte
Im erstinstanzlichen Hauptverfahren kommt der beschuldigten Person und der Staatsanwaltschaft sowie der Privatklägerschaft Parteistellung zu. Als weitere Verfahrensbeteiligte gelten auch die geschädigte Person, diejenige Person, die Anzeige erstattet hat, sowie Zeugen und Auskunftspersonen.
- Die beschuldigte Person wird einer Straftat verdächtigt. Sie kann jederzeit eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt mit ihrer Verteidigung betrauen (sog. Wahlverteidigung). Unter bestimmten Voraussetzungen muss die beschuldigte Person zwingend verteidigt werden (sog. notwendige Verteidigung). Zur Sicherstellung einer notwendigen Verteidigung, oder wenn die beschuldigte Person nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt und eine Verteidigung zur Wahrung ihrer Interessen geboten ist, ordnet die Strafbehörde eine amtliche Verteidigung an.
- Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage und vertritt diese vor dem Gericht.
- Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die sich als Straf- und/oder Zivilklägerin am Strafverfahren beteiligt. Sie kann die Verfolgung und Bestrafung der beschuldigten Person verlangen (sog. Strafklage) und/oder zivilrechtliche Ansprüche aus der Straftat geltend machen (sog. Zivilklage). Auch die Privatklägerschaft kann zur Wahrung ihrer Interessen eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt bestellen und gegebenenfalls unentgeltliche Rechtspflege beanspruchen.
- Als geschädigte Person gilt, wer durch die Straftat in seinen/ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist. Betrifft die Beeinträchtigung die körperliche, sexuelle oder psychische Integrität, kann die geschädigte Person als Opfer verschiedene Schutzrechte geltend machen.
Sanktionen bei Erwachsenen
Gelangt das Gericht zum Schluss, dass eine Person schuldig ist, spricht es im Normalfall eine Strafe aus. Als Strafen kommen Bussen, Geldstrafen oder Freiheitsstrafen in Frage. Welche dieser Strafen das Gericht ausspricht, richtet sich einerseits nach der begangenen Tat, andererseits aber auch nach dem persönlichen Verschulden des Täters.
- Die Busse ist die mildeste Strafe. Mit ihr werden geringfügige Gesetzesverletzungen, sogenannte Übertretungen bestraft. Der Höchstbetrag der Busse ist i. d. R. 10’000 Franken (sog. Übertretungsbusse). Bestimmte Übertretungen können auch mit einer Ordnungsbusse von höchstens 300 Franken bestraft werden.
- Die Geldstrafe beträgt i. d. R. mindestens drei und höchstens 180 Tagessätze zu je mindestens 30 Franken und höchstens 3000 Franken. Die Anzahl der Tagessätze bestimmt sich nach dem Verschulden des Täters: Je grösser das Verschulden ist, desto höher ist auch die Anzahl der Tagessätze, die das Gericht festsetzt. Die Höhe der Tagessätze bestimmt sich dagegen nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters im Zeitpunkt des Urteils. Eine wohlhabende Person muss demnach für dieselbe Tat und bei gleichem Verschulden eine höhere Geldstrafe bezahlen als eine mittellose Person.
Beispiel: Wird jemand mit einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 80 Franken bestraft, so muss er insgesamt 800 Franken bezahlen.
Anders als die Bezeichnung «Tagessatz» suggeriert, ist die Geldstrafe im Übrigen nicht in täglichen Raten, sondern grundsätzlich auf einmal zu bezahlen.
- Die Freiheitsstrafe ist die schwerste Strafe. Sie beträgt i. d. R. mindestens drei Tage und höchstens zwanzig Jahre. Wo es das Gesetz ausdrücklich bestimmt, dauert die Freiheitsstrafe lebenslänglich.
Nicht in jedem Fall wird die ausgesprochene Strafe auch tatsächlich vollzogen. Denn unter bestimmten Voraussetzungen wird bei Geldstrafen der bedingte und bei Freiheitsstrafen der bedingte oder teilbedingte Strafvollzug gewährt. Bedingter Strafvollzug bedeutet, dass der verurteilten Person eine Probezeit gewährt wird. Falls sie sich während dieser Probezeit bewährt, wird die Strafe nicht vollzogen. Ein allfälliger Eintrag ins Strafregister bleibt davon unberührt. Zudem kann eine bedingte Strafe mit einer Busse verbunden werden (sog. Verbindungsbusse).
Sanktionen bei Jugendlichen
Für minderjährige Jugendliche ab 10 Jahren gelten besondere Vorschriften. Nebst einem etwas anderen Verfahren, das sich nach der Jugendstrafprozessordnung (JStPO) richtet, sieht das Gesetz für jugendliche Straftäter insbesondere auch andere Sanktionen vor als bei den Erwachsenen. Diese sind im Jugendstrafgesetz (JStG) geregelt. Wegleitend für die Anordnung einer Schutzmassnahme und/oder Strafe sind der Schutz und die Erziehung der Jugendlichen.
Die Schutzmassnahmen zielen auf eine besondere erzieherische Betreuung oder therapeutische Behandlung ab. Infrage kommen folgende Massnahmen:
- Wenn Aussicht darauf besteht, dass die Eltern bzw. Pflegeeltern eine geeignete erzieherische Betreuung oder therapeutische Behandlung des oder der Jugendlichen sicherstellen können, kann eine Aufsicht durch eine geeignete Person oder Stelle angeordnet werden.
- Genügt eine Aufsicht nicht, so ist für die Unterstützung der Eltern bzw. Pflegeeltern in ihrer Erziehungsaufgabe sowie für die persönliche Betreuung des oder der Jugendlichen eine geeignete Person zu bestimmen.
- Leidet der oder die Jugendliche unter einer psychischen Störung, einer Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung oder einer Abhängigkeit, kann eine ambulante Behandlung angeordnet werden.
- Kann die notwendige Erziehung und Behandlung des oder der Jugendlichen nicht anders sichergestellt werden, ist eine Unterbringung bei Privatpersonen oder in einer Erziehungs- oder Behandlungseinrichtung anzuordnen.
- Des Weiteren kann auch ein Tätigkeits-, Kontakt- oder Rayonverbot angeordnet werden.
Hat der oder die Jugendliche schuldhaft gehandelt, kann das Gericht zusätzlich zu einer Schutzmassnahme oder als einzige Rechtsfolge auch eine der folgenden Strafen verhängen:
- Der Verweis ist die mildeste Strafe für Jugendliche und besteht in einer förmlichen Missbilligung der Tat. Ein Verweis ist zu erteilen, wenn dies voraussichtlich genügt, um den Jugendlichen oder die Jugendliche von weiteren Straftaten abzuhalten.
- Der oder die Jugendliche kann aber auch zu einer persönlichen Leistung, z. B. zugunsten von sozialen Einrichtungen, verpflichtet werden. Die Leistung hat dem Alter und den Fähigkeiten des oder der Jugendlichen zu entsprechen und kann je nach Alter bis zu drei Monate dauern.
- Minderjährige, die zur Zeit der Tat schon 15-jährig oder älter waren, können zudem mit einer Busse von höchstens 2000 Franken bestraft werden.
- Hat eine minderjährige Person, die im Tatzeitpunkt mindestens 15 Jahre alt war, ein Verbrechen oder ein Vergehen, d. h. eine schwerwiegendere Tat, begangen, kann sie als schwerste Strafe mit einem Freiheitsentzug von einem Tag bis zu einem Jahr bestraft werden. Für Jugendliche ab 16 Jahren kann in speziellen Fällen der Freiheitsentzug bis zu vier Jahre betragen.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Vollzug einer persönlichen Leistung, einer Busse oder eines Freiheitsentzugs ganz (bedingt) oder teilweise (teilbedingt) aufgeschoben werden. Bedingter Strafvollzug bedeutet, dass der verurteilten Person eine Probezeit gewährt wird. Falls sie sich während dieser Probezeit bewährt, wird die Strafe nicht vollzogen.
Kosten im Strafverfahren
Die Kosten für das Strafverfahren sind in der Verordnung über die Kosten in der Zivil- und Strafrechtspflege (KoV OG) festgelegt.
- Die Gerichtsgebühr für das erstinstanzliche Gerichtsverfahren beträgt 200 bis 10’000 Franken für ein Einzelrichterverfahren,
500 bis 20’000 Franken für ein Verfahren vor dem Kollegialgericht und 100 bis 2000 Franken in Jugendstrafsachen.
- Zu den Auslagen des Gerichts gehören neben Portokosten namentlich auch die Kosten einer amtlichen Verteidigung. Die Entschädigung der amtlichen Verteidigung richtet sich nach der Verordnung über den Anwaltstarif (AnwT).
- Hinzu kommen die Gebühren und Auslagen der Staatsanwaltschaft und der Polizei für das Vorverfahren, d. h. die Strafuntersuchung und die polizeilichen Ermittlungen. Die Gebühr für das Vorverfahren beträgt 100 bis 20’000 Franken.
Die Verfahrenskosten werden den Parteien entsprechend dem Ausgang des Strafverfahrens (gegebenenfalls anteilig) auferlegt.
- Bei einem Schuldspruch trägt die beschuldigte Person die Verfahrenskosten. Die Kosten einer amtlichen Verteidigung und unentgeltlichen Verbeiständung der Privatklägerschaft werden jedoch zunächst auf die Staatskasse genommen. Diese Kosten hat die beschuldigte Person dem Kanton Zug zurückzuzahlen, sobald es ihre wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben.
Die Privatklägerschaft kann unter bestimmten Umständen gegenüber der beschuldigten Person eine Entschädigung für die Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung geltend machen.
- Bei einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens werden die Verfahrenskosten auf die Staatskasse genommen oder unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder teilweise der Privatklägerschaft auferlegt.
Die beschuldigte Person hat Anspruch auf eine Entschädigung für die Kosten ihrer Verteidigung und für wirtschaftliche Einbussen, die aus ihrer Beteiligung am Strafverfahren entstanden sind, sowie auf eine Genugtuung für besonders schwere Verletzungen ihrer persönlichen Verhältnisse, insbesondere bei Freiheitsentzug.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann die beschuldigte Person auch gegenüber der Privatklägerschaft Ansprüche geltend machen.
Wenn aber die beschuldigte Person die Einleitung des Verfahrens rechtswidrig und schuldhaft bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat, können ihr die Verfahrenskosten auch dann auferlegt werden, wenn sie freigesprochen oder das Verfahren eingestellt wird.
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